Der Sinn des Wissens

August 23, 2008

Schon wieder ist viel Zeit vergangen, in denen ich nichts geschrieben habe – nichts schreiben konnte, denn vieles ist passiert – viel schönes, viel warmes, viel erkenntnisreiches.

Es geht mir gut – es geht mir unverschämt gut – ich habe keine Schmerzen mehr, ich muss mich nicht abends spätestens um 20.00 Uhr ins Bett legen, weil die Erschöpfung mich übermannt. Ich schlafe tief und fest und habe wunderbare Träume, Träume, die mir zeigen, dass ich mitten im Leben bin. Mitten drin….

Natürlich gehe ich noch wöchentlich zur Therapie – schon alleine, um zu sehen, wie gross mittlerweile der Abstand zwischen den Patienten, die dort sind, um ihre Therapie zu erhalten, und mir geworden ist. Eigentlich gehöre ich gar nicht mehr dazu…und eigentlich merken sie es auch. Nicht nur, dass die Frauen, neben denen bereits der Tod steht, mich zu sich holen, sich an mich drücken, damit ich ihnen ein bißchen Geborgenheit geben kann ( und ich tue es gerne ), nein, diejenigen, denen es nicht so schlecht geht, diejenigen, bei denen der Krebs nicht so hart und unerbittlich zugeschlagen hat, sie möchten mit mir in einem Raum sein -weil es schön mit mir ist, sagen sie – weil sie dann auch mal lachen können – weil sie dort den Krebs vergessen können – weil sie die Art bewundern, wie ich mit dieser Krankheit umgehe….
Und was sagte der Onkologe? „Wenn keine Metastasen mehr da sind, brauchen Sie keine Therapie mehr.“

Hmmm…

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich schummle, wenn ich sage: Ich habe Krebs…..
Habe ich ihn noch?

Gefühlt nicht mehr – dazu geht es mir zu gut. Sicher, es kommen die Schmerzen regelmäßig wieder – alle drei Wochen erhalte ich intravenös Bisphosphenate – damit sich meine Knochen regenerieren können .Demoliert genug sind sie ja. Und dann fangen die Bisphosphenate an, zu arbeiten….. jaul….. es ist ein irrer Schmerz – ein Schmerz, den ich regelmäßig überprüfe – ob sie tatsächlich überall da wirken, wo ich Metastasen habe… machen sie… brave Kerlchen…ok.. mein Gang ähnelt dann zwar eher dem Gang eines Gorillas… das aufrechte Gehen will halt wieder gelernt sein, aber im Zweifel fall ich ja nicht auf.. es ist ein Ärztehaus, und dort hat’s eh genug Patienten, die so vor sich hin humpeln.
Spätestens, wenn mir die Menschen in die Augen sehen, erkennen sie, wie stark und wie ungebrochen ich bin. Es stimmt…. wie der Phönix aus der Asche….

Als ich hier begann, zu schreiben…..im Leben hätte ich nicht geglaubt, was mir hier passiert.
Sicherlich war die Hoffnung in mir gross, als ich schrieb, mein Krebs sei nicht mehr heilbar… die Hoffnung, dass irgendwie – von irgendwo Hilfe kommen würde – und sei’s nur dadurch, d a s s ich schreibe. Aber nein – es wurde unglaublich viel mehr….

Ich habe endlich begriffen und verstanden. Zu glauben, das ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass und wie wir leben können. Nein, ich rede nicht von einer bestimmten Glaubensrichtung. Um ehrlich zu sein- ich bin zwar konfirmiert , aber nicht aus innerer Überzeugung heraus. Eher, weil es eben so üblich war. Ich glaube daran, dass es eine wunderbare Schöpfung gibt, die uns die Möglichkeit gibt, uns hier ein Leben ein zu richten. Nennt sie Gott, nennt sie Allah, nennt sie wie ihr wollt, letztendlich kommt es alles aufs gleiche heraus – dass es etwas gibt, das um Strecken grösser, gewaltiger und besser ist, als wir. Das unsere Geschicke lenkt, uns hilft, wenn wir darum bitten – etwas, das ohne jeden Arg und Falsch ist. So ehrlich, dass es uns schon fast schmerzt, weil wir es nicht so richtig können, geschweige denn beherrschen – dieses Ehrlichsein…
Jetzt kann ich es – ich kann glauben – ohne wenn und aber. Glauben daran, dass alles, was ich hier erfahren durfte so gewollt war.. dass Henry mich geheilt hat….
Meine Lebensenergie ist unglaublich gewachsen – der Krebs ist kein Thema mehr bei uns. Die Familie – unglaublich, wie positiv es sich auswirkt – sie sind erleichtert, gelockert… eine wunderbare Fröhlichkeit kommt hier auf… und tut so unglaublich gut….
Wie sagte es mein Lebensgefährte so schön, als seine Kollegen ihn fragten, wie es mir ginge?:
„Sie ist aus einem 20monatigen bösen Traum aufgewacht…“

Es hatte einen Sinn, warum ich diese Krankheit erleiden musste – den Sinn, mich endlich zu öffnen.. die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und mit allen Sinnen mein Leben zu leben.

Ein Wunder?

Nein – kein Wunder… du musst nur glauben, dann kann dir nichts schlimmes passieren. Nur glauben…

Am 02.09. habe ich meine nächste Untersuchung. Eine CT – zur Disposition stehen neben diversen Knochenmetastasen auch ein paar kleine von diesen Biestern in meiner Lunge. Logisch, dass es länger dauert bis meine Knochenmetastasen restlos verschwunden sind. Aber rein theoretisch könnten sie ja auch gewachsen sein.. oder eben noch immer genauso gross sein, wie zuvor… ich werde euch davon berichten. Und ich werde nichts beschönigen oder verschweigen. Es wird die reine Wahrheit sein.

Eine Antwort to “Der Sinn des Wissens”

  1. einFotograf said

    „Zu glauben, das ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass und wie wir leben können.“ < Das ist eine Aussage, die viel Kraft beinhaltet und auch viel Kraft gibt. Und Geborgenheit.

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